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Vitamin-D Mangel und Sonnenschutz

Artikel aus Spiegel online zum Thema Hautkrebsvorsorge und sinnvolle Sonnencreme:

„Hoher Lichtschutzfaktor verhindert die Vitamin D-Synthese“

Sonnencreme schützt vor schädlicher UV-Strahlung und vor Alterung der Haut. Doch sie hat auch negative Effekte. Der Dermatologe Jörg Reichrath erklärt, wie man die richtige Balance zwischen Hautkrebsprävention und Sonnenexposition findet.

ZUR PERSON: Jörg Reichrath ist Professor für Dermatologie an der Universität des Saarlandes und leitender Oberarzt am Universitätsklinikum.

Reichrath: Viele aktuelle Studien sprechen dafür, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel einige Krebserkrankungen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und die Anfälligkeit für Infektionen erhöht.

SPIEGEL ONLINE:
 Die UVB-Strahlung im Sonnenlicht, gerade im Sommer, sorgt dafür, dass wir Vitamin D selbst in der Haut synthetisieren können. Hält Sonnenschutzmittel die UVB-Strahlung so weit ab, dass die Vitamin-D-Synthese gestoppt wird? 

Reichrath: Es gibt zwei Arten von Sonnenschutzmitteln. Die erste funktioniert physikalisch und reflektiert das Sonnenlicht. Solche Rezepturen enthalten zum Beispiel Titandioxid oder Zinkoxid – dann sieht man manchmal so aus, als ob man mit weißer Farbe eingeschmiert worden wäre. Auf der anderen Seite gibt es die kosmetisch wesentlich angenehmeren chemischen UV-Filter, die dringen etwas in die Haut ein und absorbieren das UV-Licht, das heißt, es wird dann zum Beispiel in Wärmeenergie umgewandelt. Beide, das ist klar gezeigt, verhindern, dass Vitamin D in der Haut gebildet wird.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es einen UV-Schutz, der selektiv UVA ausschließt?

Reichrath: Den könnte man sicherlich herstellen. Aber das wäre nicht das, was der Hautarzt empfehlen würde, weil das UVB für die Entstehung des hellen und schwarzen Hautkrebses mitverantwortlich ist.

SPIEGEL ONLINE: Ein Dilemma – wie kann man sowohl Hautkrebs als auch Vitamin-D Mangel vermeiden?

Urlaub am Strand
Urlaub am Strand

Reichrath: Es ist wie mit vielen Dingen im Leben: Die Dosis macht’s. Wenn man regelmäßig kurz in die Sonne geht, überwiegen die positiven Effekte gegenüber den negativen. Sonnenbrand sollte man allerdings unbedingt vermeiden.

SPIEGEL ONLINE: Sollte man sich Sonnencreme ins Gesicht schmieren, wenn man im Mai eine Stunde bei Sonnenschein spazieren geht? Im Juni, Juli, August? Oder schafft man sich damit auch im Sommer noch einen Vitamin-D-Mangel?

Reichrath: Das ist leider nicht generell zu beantworten, die körpereigene Vitamin-D-Bildung hängt von vielen Faktoren wie dem Hauttyp, dem Alter, der Exposition der Hautfläche, der Jahres- und Tageszeit, Wetterbedingungen und dem Aufenthaltsort ab. Wenn man im Mai in der Mittagszeit eine Stunde bei Sonnenschein spazieren geht, kann das daher oft schon zu viel sein. Viele Experten akzeptieren als Faustregel die Empfehlung des US-Wissenschaftlers Michael Holick. Danach genügt für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese im Frühjahr und Sommer, etwa dreimal pro Woche 20 Prozent der Körperoberfläche, also zum Beispiel Gesicht und Arme, der Sonne auszusetzen – und zwar mit der Hälfte der Dosis, die zu einer beginnenden Hautrötung aber noch keinem Sonnenbrand führt.

SPIEGEL ONLINE: Bekommt man im Sommer nicht ohnehin genug UVB ab und kann ruhig Sonnenschutz (Sonnencreme) auftragen?

Reichrath: Nein, unter unseren Lebensbedingungen hat ein großer Teil der Bevölkerung auch im Sommer aufgrund unzureichender UV-Exposition einen Vitamin-D-Mangel. Ein Sonnenschutz sollte daher nach meiner Einschätzung bei maßvoller, kurzzeitiger UV-Exposition nicht eingesetzt werden. Der generelle Einsatz von UV-Filtern in Tageslotionen ist daher nicht sinnvoll.

SPIEGEL ONLINE: Bewirkt ein geringerer Lichtschutzfaktor, dass man mehr Vitamin D bilden kann?

Reichrath: Ja, je mehr UVB-Photonen die Haut erreichen, umso mehr Vitamin D wird gebildet. Sehr hohe Lichtschutzfaktoren sollte man in der Regel vermeiden, um genügend Vitamin D zu produzieren. Bei korrekter Anwendung blockiert schon eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor zehn 90 Prozent der Vitamin-D-Synthese.

SPIEGEL ONLINE: Kann der Prozess der Hautbräunung die Haut so stark schützen, dass eine Sonnencreme gar nicht notwendig ist? 

Reichrath: Die Pigmentierung kommt durch Melanin zustande, das in den Melanocyten gebildet und in die Hautzellen in der Umgebung abgegeben wird. Melanin absorbiert das UV-Licht an der Hautoberfläche, so dass es nicht weiter eindringen kann. 

SPIEGEL ONLINE: Hat man genug UVB abbekommen für eine genügend hohe Vitamin-D-Synthese, wenn man zumindest ein wenig gebräunt ist?

Reichrath: Wer sich regelmäßig maßvoll dem Sonnenlicht aussetzt und daher ein wenig sonnengebräunt ist, dürfte damit eine ausreichend hohe Vitamin-D-Synthese haben. Es gibt Hinweise in der Fachliteratur, dass Menschen, die eine Sonnencreme benutzen und leicht gebräunt sind, überdurchschnittlich hohe Vitamin-D-Spiegel aufweisen.

SPIEGEL ONLINE: Könnte man einen Mangel an Sonnenlicht durch Ernährung ausgleichen?

Reichrath: Unter unseren Lebensbedingungen müssen etwa 90 Prozent des benötigten Vitamin D durch UVB-Einfluss in der Haut gebildet werden, nur etwa zehn Prozent werden mit der Nahrung aufgenommen. Um den Tagesbedarf eines Erwachsenen von 2000 bis 4000 Internationalen Einheiten Vitamin D über die Ernährung abzudecken, müsste man jeden Morgen zum Frühstück einen sauren Hering mit einem Viertel Glas Lebertranöl verzehren oder täglich etwa vier bis acht Kilogramm Butter essen. Von Steinpilzen würde man jeden Tag etwa zwei bis drei Kilogramm konsumieren müssen.

SPIEGEL ONLINE: Altert die Haut bei Sonnenbräune schneller?
Reichrath: In der Regel trifft dies zu: ein sonnengebräuntes Gesicht bedeutet, dass die Haut womöglich etwas vorzeitig altert.

SPIEGEL ONLINE: Ist Sonnencreme gesundheitsschädlich?

Sonnenschutzmittel, Sonnencreme
Sonnenschutzmittel

Reichrath: Einige chemische Sonnenschutzmittel können in vielen Oberflächengewässern nachgewiesen werden. Es gibt Autoren, die sagen, dass dadurch Gesundheits- und Umweltschäden verursacht werden können. Im Tiermodell ist für bestimmte UV-Filter, die in Sonnencremes verwendet werden, schon nachgewiesen worden, dass sie sich negativ auf die männliche Fertilität auswirken. Einige dieser Präparate werden allerdings heute nur noch selten eingesetzt. Viele neuere UV-Filter sind nach meiner Einschätzung aber nicht ausreichend untersucht, was mögliche Gesundheitsgefährdungen angeht, gerade diejenigen aus der Nanotechnologie.

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